Tout Terrain Vasco Gravelbike - Ein Praxistest

Markus Stitz fährt das Vasco GT 28 beim Orbit360 in Thüringen

Singlespeed-Weltumradler und Bikepacker Markus Stitz, der Schottland seit elf Jahren seine Heimat nennt und dort Bikepacking Scotland gegründet hat, testete für uns unser neues Performance Gravelbike Vasco auf einer der Strecken in Thüringen. Markus fuhr ein Vorserienmodell. In diesem Blog erfahrt ihr mehr.

Unterwegs mit dem Tout Terrain Vasco beim Orbit360 in Thüringen

Der Orbit360, Deutschlands erste Gravelbike-Serie, fand erstmals von Juli bis September 2020 statt. Das Konzept sah vor, eine Serie von 16 Rennen mit über 200+ km zu schaffen, eine in jedem Bundesland. Die Fahrer fahren ohne Unterstützung und auf sich allein gestellt und konkurrieren um Punkte, indem sie ihre Route mit einem GPS-Gerät (über Komoot) verfolgen und Punkte für die Zielzeit und jede gefahrene Strecke sammeln.

Orbit360 Thüringen

Entfernung: 220km
Höhenmeter: 4580m
Gravel: 54%
Asphalt: 38%
Singletrack: 8%
Fahrbare Zeit: 97%

 

Weltklasse-Langstreckenrennen

Ich habe Raphael Albrecht und Bengt Stiller, die Macher des Orbit360, bisher zweimal getroffen. Nicht in Deutschland, sondern in ziemlich exotischen Umgebungen. Das erste Mal trafen wir uns in Bischkek beim Silk Road Mountain Race. Vor dem Start teilte ich ein Zimmer mit Raphael und unsere Wege kreuzten sich während des Rennens mehrmals. Bengt war genau die Motivation, die ich brauchte, als ich mein Fahrrad den Ton-Pass, den höchsten Bergpass des Rennens auf etwas mehr als 4000 m, hinaufschob. Ich litt unter Hitzeerschöpfung und Durchfall und war kurz davor, das Handtuch zu werfen. Als ich Bengt in seinem Zelt sitzend auf seine Hühnersuppe starren sah, nicht in der Lage sich nur einem Meter zu bewegen, hatte ich das Gefühl, dass ich immer noch zu viel in mir hatte, um aufzuhören. Ich war mehr als erfreut, dass er sich erholte und es vor Ablauf der Frist schaffte, ebenfalls die Ziellinie zu überqueren.

Silkroad-Mountain-Race

Das zweite Mal trafen wir uns diesen Februar in Marrakesch beim Atlas Mountain Race. Raphael und ich machten ein Selfie für die Thüringer Allgemeine vor einem großen Kronleuchter, der über der Hotelrezeption thronte. Die lokale Presse interessierte sich für unsere Bikepackingabenteuer, da wir beide in Thüringen geboren wurden. Die hochpolierten Wände des Hotels waren das Gegenteil von dem, was uns erwartete. Ein technisch herausforderndes, manchmal brutales Rennen. Um durchzukommen war viel Entschlossenheit erforderlich. Wie bei jedem harten Bikepackingrennen haben Landschaft und Menschen in Marokko letztendlich die harte Arbeit wettgemacht. Aber ich kann mich noch gut an die letzten Kilometer erinnern und daran, mein Fahrrad im Dunkeln durch endlosen Sand zu schieben.

„Einen Verrückten gibt es immer.“ Das sind die Worte, die Bengts Bild von mir und meinem Singlespeed-Mountainbike auf Instagram begleiteten. Viel hat sich an dem Rad nicht verändert, seit ich im August 2016 von meiner Weltumrundung zurückgekehrt bin. Nach einer Schulteroperation letzten September hatte ich nicht die Absicht schnell zu sein, sondern einfach nur anzukommen. Ich war der Einzige auf einem Singlespeed. Solange ich es zur Abschlussparty nach Sidi R’bat schaffte, war meine Mission erfüllt.

The Limits of Gravel Cycling

Bis an die Grenzen des menschlichen Körpers

Obwohl ich während meines dreiwöchigen Aufenthalts in Deutschland im Juli und August keine Fahrradabenteuer geplant hatte, war es einfach zu verlockend ein Rennen zu fahren, das Bengt und Raphael im Lockdown bei Laune hielt. Nach ein paar Tagen in Erfurt organisierte ich mir den Prototyp des Tout Terrain Vasco, Taschen und Beleuchtung und nahm am ersten Orbit360 teil. Was ich nicht plante, war kurz danach im Krankenhaus zu landen.

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Als die Flüssigkeit langsam in meinen rechten Arm tropft, spüre ich, wie etwas Energie in meinen Körper zurückkehrt. Schmerzlich musste ich erkennen, dass sich meine Fahrtechnik nach elf Jahren in Schottland erheblich verbessert hat, aber dass ich gleichzeitig die Fähigkeit verloren habe, mit den Sommertemperaturen in Deutschland fertig zu werden. Ich sitze in einem Krankenhaus in Erfurt, einen Tag nachdem ich meinen ersten Orbit360 beendet habe, und versuche mich von der Hitzeerschöpfung zu erholen.

Erinnerungen an das Silk Road Mountain Race kehren zurück, als ich mich nach Temperaturen von bis zu 40° C ähnlich fühlte. Damals wurde ich nicht behandelt, da die medizinische Versorgung im Tian Shan lückenhaft ist. Ich fuhr weiter, wenn auch viel langsamer als erwartet. In Kirgistan war ich alleine. Hier in Erfurt bin ich mit meiner kanadischen Freundin bei meiner Familie, und fühle mich wie ein Ego-Shooter, der seinen Körper bis an die äußerste Grenze getrieben hat.

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Während ich hier sitze und darauf warte, dass die Flüssigkeit langsam in meinen angeschlagenen Körper tropft, habe ich viel Zeit zum Nachdenken. Ich sinniere über den Begriff Gravel. Und Gravelbikes. Mit dem Tout Terrain Vasco bin ich eine Route gefahren, die mit 4.580 Höhenmetern auf 220 km ein hartes Brot ist. Der Thüringen-Orbit ist die bergigste von 16 Routen, was mich nicht überrascht. Wenn ich auf meine Weltreise zurückblicke, bei der ich mehr als 38 Mal auf Mount Everest gefahren bin, war der härteste Tag die Überquerung von Rhön und Thüringer Wald. Im Gegensatz zu den langen und allmählichen Anstiegen in Gebirgszügen wie den Alpen, den Rocky Mountains oder den Anden gibt es keine hohen Berge, aber eine Vielzahl von Tälern und Hügeln, in denen sich die Höhenmeter schnell summieren.

Die Grenzen von Gravelbikes ausreizen

Ich bin einer der ersten Fahrer, die das Tout Terrain Vasco einem ordentlichen Test unterzogen haben. Für den Orbit360 wird ist ein Performance Gravelbike von Nöten. Mehr als einmal dachte ich, dass ein leichtes Hardtail-Mountainbike die vernünftigere Wahl für die Route gewesen wäre. Ich habe 26 Stunden gebraucht, inklusive ein paar Stunden Schlaf und Pausen. Es war eine Herausforderung und oftmals war ich froh, dass ich meine Laufschuhe hatte, da Schieben mehr als einmal angesagt war. Der Punkt, an dem der Spaß aufhörte, war um 5 Uhr morgens, als ich im Dunkeln auf wurzeligen Singletrails versuchte, eine Linie zu finden, die für 40-mm-Reifen sinnvoll wäre. Auch wenn das Rad den Trail gut bewältigte, sah ich mich oftmals an einem der Fichtenbäume klebend, jenseits des Rades. 

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Auch wenn Gravelbikes nichts wirklich Neues mehr sind, erfreuen sie sich immer größerer Beliebtheit. Da sich auch Bikepackingtaschen zunehmender Popularität erfreuen, ist es verlockend zu glauben, dass Gravelbikes zunehmend Mountainbikes ersetzen.

Während die Trennung bei allem, was mit Federung zu tun hat, wie Enduro oder Trail-Mountainbikes, relativ eindeutig ist, verschwimmt die Linie zwischen Crosscountry und Gravelbikes zusehends. Manchmal habe ich aber das Gefühl, dass der Begriff Gravel immer öfter für die falsche Art von Rennen und Routen verwendet wird.

Das war beim Atlas Mountain Race der Fall. Ich war mehr als glücklich über Jones-Lenker und breite Reifen. Nelson Tress, der sowohl das Atlas als auch das Silk Road Mountain Race organisiert, entschuldigte sich im Nachhinein dafür, das Ganze für Gravelbikes zu bewerben. Während dem Orbit360 kommen Erinnerungen an die schwierigen Abfahrten in Marokko zurück. Diesmal sind es die Anstiege, welche die Fähigkeiten von Fahrer und Bike manchmal übertreffen. Oftmals denke ich derjenige, der die Route erstellt hat, ist sie in die entgegengesetzte Richtung gefahren. Mein Verdacht wird später von Raphael bestätigt.

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Natürlich wird es immer „Verrückte“ mit hervorragender Fahrtechnik und unzerstörbaren Körpern geben, für die Wahl des Bikes keine Rolle spielt. Als ich mit einem Singlespeed um die Welt fuhr, zählte ich sicher dazu. Aber die große Mehrheit wird irgendwann unter zu viel Typ-2-Fun leiden, und aktuell gehöre ich eher zu dieser Gruppe. Wenn man eine herausfordernde Route, wenig Schlaf und fast tropische Sommertemperaturen in Deutschland kombiniert ist es letztendlich kein Wunder, dass ich danach für einen kurzen Aufenthalt im Krankenhaus gelandet bin.

Abschließende Gedanken

Über den Orbit360 in Thüringen

Im Großen und Ganzen war die Orbit360-Route in Thüringen angenehm. Ich mag das Konzept des Rennens. In Zeiten einer globalen Pandemie stellten Raphael und Bengt 16 verschiedene Routen zur Verfügung, die in einem Zeitraum von zwei Monaten gefahren werden konnten, Social Distancing vom Feinsten. Von 212 km in Sachsen bis 323 km in Deutschlands kleinstem Bundesland Bremen kann man mit Recht sagen, dass ihre Länge selbst die erfahrensten Fahrer vor eine Herausforderung stellt. Die Regeln ähneln denen anderer Bikepacking-Rennen: Einmal gestartet, stoppt die Uhr erst im Ziel. Und während es eine Klassifizierung gibt, fährt man in Wirklichkeit nur gegen sich selbst, nicht gegen irgendjemanden anderen. Beharrlichkeit ist gefragt, und es hilft, die goldene Regel des Bikepacking zu verfolgen: Never scratch at night!

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Es ist die Begegnung mit anderen Fahrern und Kulturen, die das Reisen um die Welt von Rennen zu Rennen zum Erlebnis macht. In Zeiten einer globalen Pandemie sind weder das Reisen noch das Treffen mit anderen vernünftige Entscheidungen, sodass der Orbit360 die Lücke gut füllt. Für mich stach Thüringen sofort aus allen Routen heraus. Während die flachste Route, wiederum Bremen, weniger Höhenmeter als eine vergleichbare Strecke über die Nullarbor-Ebene in Australien beinhaltet, enthielt die Route in Thüringen mehr Höhenmeter als eine vergleichbare Strecke bei einigen der härtesten Bikepacking-Rennen der Welt wie dem Highland Trail 550, Atlas Mountain Race oder Silk Road Mountain Race.

Einige Abschnitte waren Wahnsinn auf einem Gravelbike (positiver Wahnsinn). Auf ihnen übertraf das Tout Terrain Vasco meine Erwartungen. Mit einer 2x11 Schaltung, vorne mit 48-31 und hinten mit einer 11-34 Kassette, unterscheidet sich das Fahrrad von dem, was ich normalerweise fahre. Während ich immer noch gerne Singlespeed-Räder benutze, habe ich den Komfort einer Schaltung schätzen gelernt, bin aber mit einem Kettenblatt vorne ganz zufrieden. Auf den breiten Schotterwegen des Rennsteig-Radwanderweg von Blankenstein, auf der Hälfte der Strecke, schätzte ich es sehr, mehr als ein Kettenblatt vorne zu haben. Am Anfang und Ende der Route hatte ich das gleiche Gefühl, als ich durch das wunderschöne Schwarzatal fuhr. Aber der Spaß wurde gedämpft, als die Strecke zum wiederholten Male auf einen steilen Pfad abbog, um noch ein paar Höhenmeter zu machen, oder in jede einzelne Bucht eines künstlich angelegten Stausees führt. 

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Während das Gesamtkonzept der Orbit360-Serie großartig ist, und ich sehr auf eine Wiederholung in kommenden Jahren hoffe, lässt das Scouting der Strecken Wünsche offen. Steigungen von bis zu 42% sind für jedes Fahrrad ungeeignet, unabhängig von Übersetzungsverhältnis oder Reifenbreite. Und während ein kurzer Abschnitt auf Singletrails auch mit 40-mm-Reifen Spaß macht, frage ich mich nach mehreren Kilometern auf technischen Singletrails, was ich tue. Das Tout Terrain Vasco bewältigt das meiste Gelände außergewöhnlich gut, aber am Ende ist es ein Gravelbike, kein Mountainbike.

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Über das Tout Terrain Vasco GT 28

Das bringt mich zurück zu meinen ursprünglichen Gedanken darüber, was der Begriff Gravel insbesondere im Zusammenhang mit einem Fahrrad, wirklich bedeutet. Wenn ich wieder ein Rad wählen müsste, um um die Welt zu fahren, wäre es definitiv ein Gravelbike wie das Vasco. Der Einfachheit halber würde ich ein einzelnes Kettenblatt vorne wählen. Viel mehr würde ich nicht ändern. Es ist nicht wirklich überraschend, dass Tout Terrain, nachdem sie mir das Vorserienmodell zur Verfügung gestellt haben, die Vasco-Familie um diese Ausstattung erweitert hat.

Die Worte Exploration und All-Road fallen mir ein, wenn ich mir das Tout Terrain Vasco anschaue. Ich lebe in Schottland und habe die dünnen 23-mm-Reifen, die ich früher auf meinem Rennrad verwendet habe, lange vergessen. Aber ich habe auch gelernt, dass das Fahren eines großen Abschnitts auf Asphalt mit einem Fatbike mit 5-Zoll-Reifen Zeit- und Kraftverschwendung ist. Es gibt heutzutage Fahrräder für so ziemlich jedes Terrain, aber es gibt nur wenige Fahrräder, die auf mehreren Terrains gleichermaßen Spaß machen, doch Gravelbikes gehören dazu.

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Fahrradfahren wird immer ein Kompromiss sein. Als ich 2015/2016 um die Welt radelte, waren Gravelbikes gerade frisch auf dem Markt. Während ich die meiste Zeit auf Asphalt verbrachte, wollte ich meine Möglichkeiten nicht einschränken. Daher fiel meine Wahl damals auf ein 29-Zoll-Mountainbike. Zum Beispiel bin ich auf der Route der Tour Aotearoa in Neuseeland fast 3000 km im Gelände gefahren, was mit einem Rennrad nicht möglich gewesen wäre. Während es ein paar asphaltierte Straßen gibt, die fast leer und sehr angenehm zu fahren sind, ich würde den Eyre Highway in Australien dazu zählen, hört das Vergnügen in den meisten Ländern auf, wenn Rad und Auto sich auf der Straße begegnen.

Sicherlich betrachte ich die meisten Routen kritischer als andere, da ich mir in Schottland eine Nische geschaffen habe, um meinen Lebensunterhalt mit der Entwicklung von Bikepackingrouten durch Bikepacking Scotland zu verdienen. Es gibt eine Fülle von historischen Routen wie Coach Roads, Drove Roads und Military Roads, aber es fehlt vor allem an Radwegen. Die meisten Straßen sind zu gefährlich zum Radfahren geworden. Singletrack-Roads in den Highlands werden im Sommer von Wohnmobilen, Sportwagen und SUVs überschwemmt, mit wenig Platz für langsame Fahrräder. Die Möglichkeiten, die das Netz an historischen Wegen bietet, sind jedoch nahezu unbegrenzt.

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Und hier wird meiner Meinung nach ein Gravelbike wie das Tout Terrain Vasco an den meisten Fronten überzeugen. Auf Asphalt ist es schnell und bequem. Der Stahlrahmen und die Karbon Gabel bringen Spaß auf breiten Forststraßen, und die größeren Räder erleichtern die Handhabung auf technischen Trails. Für Schottland würde ich die 11-34-Kassette austauschen. Der breite und bequeme Rennlenker bietet eine Auswahl von Sitzpositionen für lange Tage im Sattel. Das Vasco ist eines der wenigen Räder, die ich bisher getestet habe, die mit demselben komfortablen Brooks-Sattel ausgestattet sind, mit dem ich 34.000 km um die Welt gefahren bin. Für längere Fahrten gibt es genügend Halterungen am Rahmen, um Dinge zu befestigen. Aber das Fahrrad ist bestens geeignet, um mit Bikepackingtaschen nur das Nötigste mitzunehmen.

Es ist ein Fahrrad, das Spaß macht, wo die Straße beginnt, aber noch mehr Spaß macht, wo sie endet. Und während der kurze Besuch im Krankenhaus etwas ist, auf das ich gerne verzichten kann, möchte ich nicht darauf verzichten, ein neues Rennen wie den Orbit360 mit allem, was damit verbunden ist, auf einem neuen Fahrrad erleben.

 

Einen Überblick über die neuen Vasco-Modelle findest du im Blog-Post: Das nenes Vasco: Performance-Gravel auf jedem Terrain

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Erlebt & geschrieben von Markus Stitz #Produktneuheiten #Abenteuer #Bikepacking