Armando Basile - Der Kilometer-Millionär

Die Inspiration. Die Legende. Der Kilometer-Millionär.

Die Million zu knacken ist für viele ein Lebensziel. Armando Basile jedoch geht es nicht darum, Reichtümer anzuhäufen. Er sammelt Fahrrad-Kilometer – aktuell stehen gut 1,35 Millionen davon auf seinem Tacho. Seit 1982 hat er dabei wahrscheinlich mehr Stunden im Sattel verbracht als manch anderer auf dem Bürostuhl.

Mit dem Fahrrad siebenmal um die Welt

Vor 38 Jahren stellt sein Arzt ihn vor die Wahl: Er müsse schwimmen, laufen oder Radfahren, andernfalls werde er seine Rückenschmerzen – die Folgen jahrelanger schwerer Arbeit auf dem Bau – nicht los. Armando, damals 35 Jahre alt, entscheidet sich für das Rad und fährt seitdem dem Schmerz davon.

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Sieben Mal hat er bis heute die Welt auf zwei Rädern umrundet. Und nicht nur das: er fuhr zum Nordkap von dort an der Atlantikküste entlang bis nach Portugal, quer durch Nordafrika, durch alle Bundesstaaten der USA, inklusive Alaska – nur um ein paar Touren zu nennen. Sein Erfolgsrezept: Er fährt einfach los. Auf eine detaillierte Vorbereitung seiner Reisen verzichtet er, er verlässt sich auf den Zufall. Alles was er braucht sind seine Landkarten, seine Ausrüstung und natürlich das Fahrrad. Versicherung und Flugtickets sind seine größten Investitionen.

Die Nächte verbringt er meistens im Zelt – und sie sind kurz. Oft fährt er bis in die frühen Morgenstunden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass er erst um 2 Uhr nachts sein Lager aufschlägt. Eine Ausnahme macht er nur, wenn er unterwegs eingeladen wird. So füllt sich über die Jahre sein Adressbuch mit Kontaktdaten von Freunden aus aller Welt. Einige davon besucht er immer wieder.

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Auf den Philippinen wird er zur Legende, als er einen sehr steilen Pass mit vollbepacktem Fahrrad überquert. Fernsehen und Presse berichten über ihn und geben ihm den Namen „Legs of Steel“. Als er ein paar Jahre später auf die Inseln zurückkehrt, wird er am Flughafen bereits empfangen. Über das Internet verbreitet sich schnell die Nachricht „The legendary Legs of Steel is back!“. In Indien hilft er einem befreundeten Polizisten und nimmt einen Brief an dessen Sohn mit nach Australien.

Geschichten wie diese erlebt Armando auf seinen Touren nahezu täglich. Sie sind sein größter Schatz, dokumentiert in seinem wichtigsten Gepäckstück, einem Kalender, den er wie ein Tagebuch nutzt. Dort hält er akribisch fest, was er erlebt, wo er schläft und isst und natürlich auch welche Routen und Strecken er fährt. Armando reist analog. Er hat kein Telefon bei sich, nutzt keine Tracking-Apps und kein GPS-Gerät. Er verlässt sich auf seine Landkarte, seinen Kalender und sein Adressbuch. Eine digitale Ausnahme macht er nur für seine kleine Kamera. Kontakt nach Hause hält er über Leute, denen er auf seinen Reisen begegnet. Sie schreiben für ihn eine E-Mail an seinen Sohn und berichten, wann und wo sie Armando getroffen haben.

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Aber natürlich sind nicht alle Einträge in Armandos Tagebuch positiv und erfreulich. In 38 Jahren, auf 1,35 Millionen Kilometern lernt er auch die Schattenseiten des Lebens auf zwei Rädern zur Genüge kennen. Er erlebt, wie es ist, plötzlich mit nichts dazustehen, als ihm sein Fahrrad mitsamt Gepäck gestohlen wird. Er wird mehrfach überfallen und muss sich zur Wehr setzen. Er stürzt. Er hat Knochenbrüche und Unfälle – auch schwere und lebensgefährliche.

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Trotz dieser Erfahrungen und Rückschläge steht Armando jedoch immer wieder auf und fährt weiter. Er kennt das Risiko, aber er glaubt an das Gute im Menschen. Er hat keine Waffe bei sich – er hat alles, was er braucht: Unerschrockenheit, Ausdauer und Zuversicht. Und tatsächlich erlebt er einige Male, dass die besten Erfahrungen mit den schlimmsten Erlebnissen Hand in Hand gehen. Nach einem Unfall in den USA nimmt ihn ein Arzt in Baton Rouge bei sich zuhause auf und kümmert sich um Armando, bis er wieder alleine zurecht kommt. In Manila erlebt er Ähnliches. Ein Arzt sorgt dafür, dass er trotz Verletzungen weiterreisen und seinen Zeitplan einhalten kann. Auf den Etappen unterstützen und begleiten ihn Radler aus den örtlichen Fahrradclubs. Auch die Entscheidung zu seinen ganz großen Touren, den Weltumrundungen, trifft er als Reaktion auf einen Schicksalsschlag: den Tod seiner Frau im Jahr 2005.

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Und dann kam Corona

Der aktuellste Rückschlag jedoch hat weder mit Verlust, Verbrechen noch mit Verletzungen zu tun – sondern mit Corona. Die Pandemie durchkreuzt auch Armandos Pläne. Im November 2019 macht er sich auf zu seiner achten Weltumrundung. Er fährt durch Indien, setzt über nach Sri Lanka, fliegt von dort nach Thailand und radelt weiter nach Malaysia. Dort merkt er, dass sich die Stimmung langsam verändert. Alle tragen Masken, niemand lädt ihn mehr zu sich nach Hause ein, die Restaurants sind geschlossen. Ein Wirt schmuggelt ihn heimlich in sein Lokal, um ihm Essen zu machen. Die Nacht vor seinem geplanten Weiterflug nach Jakarta verbringt Armando in Flughafennähe am Strand. Er wundert sich, dass die Flugzeuge nur noch im 10-Minuten-Takt starten.

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Der Check-in für seinen Flug nach Indonesien wird ihm am nächsten Tag verweigert. Mit seinem italienischen Reisepass dürfe er nur noch zurück nach Europa, erfährt er. So findet seine achte Weltumrundung in Kuala Lumpur ihr vorläufiges Ende – die Pandemie schafft, was bislang nahezu unmöglich schien: Sie stoppt Armando.

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Das einzig verfügbare Ziel in Europa ist London. Von dort will Armando nach Basel in der Schweiz fliegen, dem nächstgelegenen Flughafen zu seiner deutschen Heimat Heitersheim. Doch auch hierfür hat er den falschen Pass. Mithilfe seines deutschen Rentenausweises lässt man ihn schließlich an Bord einer Maschine nach Frankfurt. Frustriert von dieser unfreiwilligen Odyssee und dem jähen Ende seiner Reise setzt er sich, dort angekommen, in den Zug nach Hause – ganz entgegen seiner sonstigen Gepflogenheiten und ausgerechnet auf der Strecke, die seine bislang längste Fahrrad-Etappe war: Vor einigen Jahren fuhr er von Heitersheim nach Frankfurt – und wieder zurück. Unglaubliche 612 Kilometer an einem Stück!

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Doch lange hält sie nicht an, seine Fahrrad-Abstinenz. Armando fährt weiter, dann eben vor der eigenen Haustür – täglich zwischen 50 und 250 Kilometer. Erst in Südbaden, nachdem die Grenzen wieder offen sind auch in der Schweiz und im Elsass. Er ist froh, dass er seinen Radius wieder ausweiten kann. Er mag die kleinen und ruhigen Straßen in Frankreich, die ihn vom lauten und gefährlichen Verkehr verschonen. Die Nähe zur Heimat hat auch Vorteile: seine Lebensgefährtin begleitet ihn jetzt oft. Bei ihr wohnt er, wenn er nicht gerade auf Weltreise ist. Von seinen Besitztümern hat er sich schon vor Jahren getrennt – alles, was er hat, passt in seine Fahrradtaschen.

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Unterstützung für seinen ungewöhnlichen Lebensstil bekommt Armando nicht nur von seiner Partnerin. Sein Sohn Dirk, der bereits in seiner Kindheit die Sommerferien zusammen mit Papa Armando im Sattel verbracht hat, ist heute so etwas wie sein Manager. Er betreut Armandos Facebook-Seite, kümmert sich um Anfragen von Zeitungen und hält Kontakt mit Armandos Weggefährten. Er hilft seinem Vater auch, als es darum geht, seinen Weltrekord von einer Million Kilometer auf dem Fahrrad offiziell anerkennen zu lassen – doch so weit sollte es nicht kommen.

2011 ist Armandos Jahr der Rekorde – das Jahr, in dem er die Million voll macht, das Jahr, in dem er so viel im Sattel saß wie zuvor und danach nie wieder: im Schnitt stattliche 145 Kilometer pro Tag, insgesamt 53.000 Kilometer.

An dem Tag, als Armando die Million knackt, ist er zuhause in Heitersheim. Am Abend zuvor rechnet er seine Kilometer-Bilanz mehrfach nach. Zur Sicherheit dreht er noch eine Runde, um am kommenden Tag nur eine kurze Etappe fahren zu müssen. Denn sowohl der Bürgermeister als auch ein Fernsehteam haben sich angekündigt – sie wollen, neben seinen Freunden und seiner Familie, live dabei sein, wenn er in den siebenstelligen Bereich radelt. Seine Millionen-Etappe, sein Triumphzug gelingt.

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All seine bisherigen Etappen sind fein säuberlich dokumentiert, auf seinen Landkarten zeichnet Armando nicht nur jede Strecke ein und versieht sie mit kleinen Wetter-Symbolen, er notiert auch, wo er geschlafen und gegessen hat. Und wo immer es möglich ist, lässt er sich einen Stempel oder eine Visitenkarte geben – an Tankstellen, in Hotels oder an Postämtern. Beweismaterial sozusagen.

Der Kontakt zum Guiness-Buch ist in die Wege geleitet, alle Unterlagen sind beisammen. Zur finalen Überprüfung soll schließlich ein Anwalt eingeflogen werden, um die Kilometer-Aufzeichnungen zu beglaubigen – eine kostspielige Angelegenheit! Armando rechnet kurz nach und lehnt dankend ab. Von einem Weltrekord-Titel kann er nicht um die Welt reisen, mit dem gesparten Geld jedoch schon – mehr als einmal!

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Und so konzentriert er sich auf das, was er am besten kann: Einfach immer weiterfahren. Seine achte Weltumrundung will er auf jeden Fall fortsetzen – sobald das Virus es erlaubt. Es wird vermutlich aber seine letzte sein. Nicht etwa, weil er vor hat in Fahrradrente zu gehen – nur die Versicherung, die mit jedem Jahr gewaltig ansteigt, will er sich zukünftig nicht mehr leisten.

Ob er die Zwei-Millionen-Marke also noch schafft? Wer Armando kennt, weiß: Ausgeschlossen ist es nicht!

(Irgendwo in Malaysia - Frühling 2020)

Über Armando

Armando Basile, 73, gehört zum Tout Terrain Adventure Team und ist vermutlich das Mitglied mit den meisten Fahrrad-Kilometern auf dem Tacho. Seit 38 Jahren fährt er jährlich zehntausende Kilometer und hat bislang sieben Weltumrundungen gemacht – häufig mit seinem Tout Terrain 5th Avenue GT. Basile stammt aus Apulien (Italien) und lebt seit 1968 in Heitersheim bei Freiburg. Er hat einen Sohn und zwei Enkelkinder. Ein Buch über seine Abenteuer auf zwei Rädern ist in heute verfügbar:

Hard Copy: Tribusverlag, Amazon
 
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Erlebt & geschrieben von Margareta Macht #Abenteuer
Dieses Equipment war mit dabei:
Blueridge GT Side Blueridge GT
ab 3.730,00 €*