T-Coat Pulverbeschichtung - Mehr als Farbe

Liebe zum Detail bei jedem einzelnen Rahmen.

Was haben Smartphones mit pulverbeschichteten Fahrrädern zu tun? Die Farbbeschichtung der Tout Terrain-Rahmen basiert auf einem einfachen physikalischen Prinzip.

Zwölf Landmeilen, umgerechnet 19,2 Kilometer pro Stunde, langsamer als ein Pedelec oder auch zügige Reisegeschwindigkeit auf einem Tout Terrain-Fahrrad. Mit diesem Tempo durften 1903 Automobile in Großbritannien fahren. Und das war ein Problem: Das Königreich war in jenem Jahr Ausrichter des „Gordon Bennett Cups“, einem seinerzeit bekannten internationalen Autorennen. Was tun?

Die Britische Farbe erinnert an Irland

Die Organisatoren wichen nach Irland aus, dort sah man das mit der Höchstgeschwindigkeit liberaler. Als Dank habe man alle britischen Rennwagen inselgrün lackiert, das als „British Racing Green“ in die Geschichte einging und heute noch ein Begriff ist. Auch als Rahmenfarbe für schnelle Fahrräder!

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Es ist eine der wenigen Mischfarben, die Thilo, einer der beiden Beschichter bei Tout Terrain, in seinem Farbenlager vorrätig hat. Als Standard gibt es Tout Terrain-Räder mit der Beschichtungsfarbe Schwarz, Atlantico Metallic (einem Meeresblau) oder eben British Racing Green Metallic. Ansonsten überwiegen RAL-Farben von weiß bis tiefschwarz.

Alle Rahmen und Gabeln, viele Kleinteile werden in Gundelfingen bei Freiburg beschichtet. Als Schutz bekommen sie eine besonders zähe und haltbare „T-Coat“-Pulverbeschichtung, das sind eine bis drei Schichten, je nach Bauteil. Mit den sechs Kollektionsfarben der Modelle und den zusätzlichen RAL-Farben stehen rund 50 verschiedene bereit, „mehr würden einfach den Rahmen sprengen“.

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Die Farben lagern nicht in Farbeimern oder Dosen, sie sind Pulver in Tüten und gleichzeitig eine Art Konzentrat. Während beim üblichen Farbauftrag etwa die Hälfte der Dosenfüllung aus Lösungsmittel besteht, ist Thilos trockene Pulverbeschichtung reine Farbe. Doch wie haftet das Pulver am Rahmen?

„Zunächst muss der Rahmen zum Stahlstrahlen“, beginnt Thilo, den gesamten Ablauf zu erklären, bis ein Tout Terrain-Rahmen zur Endmontage bereit ist. Also: Rahmen im Keller in der gewählten Größe holen, rein in die Sandstrahlkammer. Dabei wird hier mit Stahl „gestrahlt“, drei der Stahlkugeln nebeneinander ergeben erst einen Millimeter. Mit 50 Umdrehungen pro Sekunde pfeffert ein Wurfrad sie auf den sich langsam drehenden Rahmen. Übrig bleibt blanker Stahl.

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Was bei der Schutzfolie lästig ist, ist hier der Trick

Dass das Farbpulver am Rahmen bleibt, bis er die Ofentüren schließt, ist ein kleiner Trick, der an anderer Stelle recht lästig sein kann. Schon einmal eine Schutzfolie auf dem Smartphone-Display angebracht? Und bemerkt, dass sie jeglichen Staub im Umkreis eines Kontinents anzuziehen scheint in den Sekunden, nachdem du die Schutzfolie entfernt hast? Die Folie ist statisch aufgeladen, so haftet sie später am Gerät.

Diesen Effekt nutz Thilo in seiner Pulverbeschichtungs-Anlage: An der Spitze seiner Farbpistole bekommen die Farbpartikel positive Aufladung, der leitende Stahlrahmen bekommt negative, schwupps krallt sich „Atlantico Metallic“, am Rahmen fest. „Höchstens ein Fünftel der Farbe geht dabei verloren, der Rest bleibt auf dem Rahmen, das kann ich leicht wiegen“, rund 250 Gramm kommen durch die drei Farbaufträge mehr auf die Waage, erläutert Thilo.

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Aber ganz so einfach ist der Vorgang nicht: Wer zum ersten mal einen Rahmen beschichtet, bekommt viel Auftrag am Rohr und wenig in den Kanten, „das ist ja klar“, kommentiert Thilo die zunächst unbeholfenen Versuche, das Pulver folgt immer den Feldlinien und die sind eben meist kürzer zu den mittleren Rahmenteilen.

Deswegen gleichen seine Pistolenbewegungen einer Choreografie, er schleudert die Farbe in die Ecken, pustet hier Farbwölkchen, produziert dort kleine Wirbelstürme, „irgendwann machst du das ganz automatisch“. Auch das Einstöpseln und Lösen der Verschlüsse in jeder Rahmenöffnung zählt zu seinen beinahe blind absolvierten Handgriffen. Die verhindern, dass Farbpartikel ins vorher gegen Rost behandelte Innere des Rahmens fliegen könnten.

Expertise und Erfahrung kommen beim Beschichten zusammen

Aber Akkordstimmung kommt dennoch nicht auf: „Nach der immer grauen Grundierung kommt erst die vom Kunden gewünschte Rahmenfarbe dran, zum Beispiel auch unser British Racing Green“, eine der rund 50 Pulvertüten. Zuvor säubert Thilo die Beschichtungsanlage penibel mit Druckluft. „Wenn ich helle Farben auftrage, darf zuvor keine sehr dunkle Farbe drangekommen sein, sonst mischt sich da doch noch ein verirrter Partikel darunter“, beschreibt er seinen Anspruch an die perfekte Beschichtung.

„Je nach Farbe und Schicht passe ich die Ofentemperatur und die Zeit an, Pulverbeschichtung hat auch viel mit Erfahrung zu tun. Wir bemerken Unterschiede, wenn sich das Wetter ändert“, erzählt Thilo, während er die Aufkleber auf die Farbbeschichtung setzt. „Hier können die Kunden wie bei der Schaltung, den Bremsen oder dem Sattel im Online-Konfigurator oder beim Händler wählen, ob das Tout Terrain-Logo nun orange sein soll, silberfarben, schwarz oder weiß.“ Manche wollen gar keines, die cleanen Räder sind derzeit cool.

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Genähte Schutzhüllen aus der Tout Terrain-Familie

Manche kommen mit ihrem Tout Terrain-Fahrrad nach Jahren, um ihren Rahmen neu beschichten zu lassen. „So ein Refresh machen wir etwa zwei- bis dreimal im Monat. Auf diese Weise wird es kaum langweilig.“ Obwohl nun doch eine etwas eintönigere Aufgabe wartet: 140 Lastenanhänger „Mule“ sind zu beschichten. Es sind Einrad-Lastenanhänger mit gefederter Schwinge, die gibt es ausschließlich in Schwarz.

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Dennoch bleibt der Manufaktur-Charakter erhalten: „Kommende Woche macht Anthony weiter, wir wechseln uns wöchentlich in der Pulverbeschichtung ab, ich speiche dann am Automaten Laufräder ein und zentriere sie. Ich könnte aber auch bei der Endmontage aushelfen, da brauche ich sicher ein bisschen länger als die erfahrenen Kollegen. Aber grundsätzlich könnte ich ein komplettes Tout Terrain-Fahrrad vom rohen Rahmen bis zur montierten Klingel aufbauen.“

 

Das macht die Tout Terrain-Rahmen rosarot:

  • 100 Prozent Farbanteil in Pulverlacken - der Doppelte herkömmlicher Nasslacke
  • Pulverbeschichtungs-Farbpartikel überbrücken letzte Unebenheiten am Bauteil
  • Ätsch Split: Die Pulverbeschichtung ist besonders zäh
  • Farbwahl durch Kundinnen und Kunden
  • Individuelle und schnelle Einzelbeschichtung vor Ort
  • Gute Unterlage: Gründliches Stahlstrahlen mit geschlossenem Kugelkreislauf sorgfältiger Auftrag von Hand
  • Keine Lösungsmitteldämpfe beim Auftragen
  • Refresh in Gundelfingen bei Freiburg möglich
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Erlebt & geschrieben von Tout Terrain #Nachhaltigkeit #Inside #Pulverbeschichtung