Ende Mai gingen James, Baby Arthur und ich endlich ein Projekt an, das uns schon seit mehreren Jahren am Herzen lag. Im Grunde genommen handelte es sich um einen Roadtrip mit vielen Höhenmetern und ähnelte den Touren, die wir in der Vergangenheit unternommen hatten. Das Besondere an diesem Projekt war allerdings, dass wir den Van dieses Mal zuhause lassen und die Reise mit unseren Mountainbikes machen wollten. Wir planten, dreißig Tage lang ein paar der schönsten Klippen Südfrankreichs zu erkunden, die gesamte Ausrüstung auf Rücken und Rädern zu transportieren und so wenige Straßen wie möglich zu befahren.
Es gab mehr als nur einen Grund, eine solche Reise in Angriff zu nehmen. Der erste und wahrscheinlich auch wichtigste Grund war der simple Wunsch, unseren CO2-Fußabruck zu reduzieren. Gleichzeitig wollten wir natürlich trotzdem etwas erleben. James und ich lieben es zu reisen und neue Dinge zu entdecken. Und genau daran wollten wir auch Arthur teilhaben lassen. Wir finden es allerdings nicht so gut, wie sehr ein einziger Flug um die halbe Welt die Umwelt belastet. Mit der Menge an Kohlendioxid, die zum Beispiel bei einer Reise zu den Rocklands in Südafrika ausgestoßen wird, könnten wir unser Haus ein ganzes Jahr lang heizen! Daher fanden wir es nicht allzu tragisch, ein paar der „größeren Reisen“, die wir jedes Jahr unternehmen, durch eine umweltfreundlichere Option zu ersetzen… und ohne damit zu rechnen, wurde diese Variante zu einer unserer absoluten Lieblingsreisen!
Klettern, Radfahren und Familie vereinen
Ursprünglich wollten wir die Donau entlang radeln – vom Schwarzwald in Deutschland bis zum Schwarzen Meer. Doch als wir uns die Route auf der Karte ansahen und überlegten, wie viele Kilometer pro Tag wir höchstwahrscheinlich zurücklegen könnten, merkten wir schnell, dass dies für einen ersten Anlauf wohl etwas zu ambitioniert sein dürfte. Ein Zwischenstopp in Wien erschien uns als guter Kompromiss, mit dem wir trotzdem einige uns noch unbekannte Felsen in Süddeutschland und Österreich besuchen würden können.
Doch dann wurden wir mit der Coronavirus-Pandemie konfrontiert und die Grenzen wurden geschlossen. Niemand wusste so richtig, was noch passieren würde! Wir änderten unsere Pläne und entschieden uns für eine Reise innerhalb Frankreichs, sobald wir uns wieder frei bewegen dürften. Dann beschloss die französische Regierung, dass man sich nur innerhalb von 100 Kilometern im Umkreis seines Zuhauses aufhalten dürfte. Es sah also ganz danach aus, als sei unser Abenteuer schon wieder vorbei, bevor es überhaupt erst begonnen hatte. Doch dann erinnerten wir uns daran, warum wir ursprünglich hierhergezogen waren, und dass wir in einem Haus lebten, das von tollen Klippen umgeben war. Solange wir uns an kleine Pfade und MTB-Trails halten würden, wären 100 Kilometer eigentlich ziemlich weit!
Okay, letzteres war vor allem für James eher ein glücklicher Zufall: Er liebt das Mountainbiken und träumt sogar davon, eine Karriere daraus zu machen – auch wenn er nicht besonders gut darin ist! Eigentlich machte es nur Sinn, über eine große Radtour nachzudenken, da wir einfache und flache Radwege fahren wollten. Alles andere wäre mit der Menge an Ausrüstung, die wir mitnehmen müssten, so gut wie unmöglich. Doch James hat immer eine Idee auf Lager und wenn ihm nichts mehr einfällt, dann verlässt er sich auf seinen Optimismus. Er versicherte mir, dass wir es mit zwei E-Mountainbikes und zwei einrädrigen Offroad-Anhängern durchaus schaffen könnten. Also legte er los und plante die Route, die uns über ein paar der besten Trails in der Region führte! Unsere „Tour des Alpilles“ stand also in den Startlöchern … und nun mussten wir die Reise auch tatsächlich antreten!
Die ersten Schritte...
Die ersten Schritte… Wirklich loszulegen war viel schwieriger, als wir erwartet hatten: Die Kuriere lieferten unser zweites E-Bike zu spät an und so mussten wir unseren Abreisetag verschieben. Wir nutzten die Gelegenheit und probierten aus, wie sich unsere Ausrüstung und Vorbereitungen auf kleineren Fahrten in der Nähe unseres Hauses schlugen. Es sah ganz danach aus, als hätten wir die Kunst, einen Anhänger zu beladen, noch nicht ganz gemeistert! Arthur hatten wir schon im letzten Jahr an eine solche Reise und das Fahren mit seinem „Singletrailer“ gewöhnt – und der hat im Nachhinein betrachtet wirklich außergewöhnliche Dienste geleistet! Der Singletrailer fuhr sich so gut, dass man eigentlich kaum merkte, dass er am Fahrrad befestigt war. Das konnte man von unserem anderen Anhänger leider nicht behaupten: Der wackelte und schwankte gefährlich, wenn er überladen oder unausgeglichen war – oder eigentlich so ziemlich immer, sobald er in Bewegung war. Als einzige Lösung blieb uns nur, die Menge an Ausrüstung noch weiter zu reduzieren… Und da wir unsere Seile und Expressschlingen nicht zuhause lassen konnten, hatten wir am Ende leider nur sehr wenig Unterwäsche dabei!
Ich möchte nicht zu sehr ins Detail gehen, was die einzelnen Schritte unserer Reiseplanung betrifft, aber generell entschieden wir uns für Klippen, von denen wir dachten, dass man sie relativ leicht mit Fahrrad und Anhänger anfahren würde können. Wir wünschten uns eine relativ sichere Umgebung für Arthur, in der er auch spielen könnte. Ein paar der Klippen kannten wir schon, ein paar noch nicht; aber bei allen handelte es sich um einzelne, sportliche Kletterstrecken. Je kürzer, desto besser! Die Distanz zwischen den Klippen reichte von 10 bis 40 Kilometer und die meisten Strecken führten über Wald- und Forstwege mit einfachen Singletrails, die für unsere Mountainbikes geeignet waren – maximal bis zu S3, um genau zu sein.
Gepackt und bereit für (fast) alles
Nachdem wir am 26. Mai von zu Hause losgefahren waren, strampelten wir langsam hinauf zur Hochebene von Pouzilhac. Dann nahmen wir die erste Abfahrt des Tages in Angriff, die uns zu dem wenig bekannten Felsen von Estézargues führte. An diesem Tag probierten wir viel aus, um herauszufinden, ob unsere Vorstellung vom Rad-klettern mit Baby überhaupt realistisch war. Dieser Tag war definitiv so etwas wie eine kleine Vorschau der restlichen Reise! Es überraschte mich auch nicht, dass James direkt ins kalte Wasser springen und in diesem Abschnitt einen der härtesten MTB-Trails der gesamten Reise angehen wollte!
Ich muss allerdings zugeben, dass die Entscheidung, sich an diesen Anstieg zu wagen, das kleinere Übel im Vergleich zum Rest war. Aber das verschwieg ich damals natürlich erst einmal. Ein 50 Zentimeter breiter Pfad führte durch Buschland und Garrigue, für die unsere Region berühmt ist, sowie über Felsen, loses Geröll und jede Menge Spitzkehren! Ein geübter Radler auf einem ordentlichen Mountainbike kommt da allein in ein oder zwei kurzen Abschnitten eigentlich problemlos durch. Aber wenn man noch ein 10 Kilogramm schweres E-Bike und einen 40 Kilogramm schweren Anhänger in den Mix wirft, dann ändert das natürlich alles. Umdrehen war keine Option, also zwangen wir uns dazu, immer nach vorne zu schauen. Ich würde sagen, das ganze Heben und Schleppen unserer Anhänger war ein gutes Aufwärmtraining… oder vielleicht auch nur die perfekte Ausrede dafür, warum wir an diesem Tag keine Routen schafften… immer unter der Voraussetzung, dass das Baby uns auch wirklich klettern ließe!
Sportliches Klettern mit einem Baby ist eine Sportart innerhalb der Sportart, die wir seit eineinhalb Jahren praktizieren. Arthur war erst wenige Wochen alt, als wir ihn zum ersten Mal mit zum Klettern nahmen – und seitdem haben wir alle Tricks gelernt. Man muss das Mittagsschläfchen voll ausnutzen, aber natürlich muss man dem Baby auch erst einmal beibringen, ein Nickerchen an der Klippe zu machen! Wenn Arthur nicht schläft, suchen wir uns eine sichere Stelle, damit er ein paar ruhige Minuten verbringen kann. Man darf auch auf keinen Fall vergessen, Spielsachen und Bücher mitzubringen! Es ist durchaus machbar, sich mit einem Baby in der Babytrage abzusichern, solange die Gurtposition klug gewählt ist und man das technische Know-How hat. Die Selbstsicherung oder „Semi-Selbstsicherung“, wie wir sie nennen, ist eine großartige Möglichkeit, um sich aufzuwärmen und Routen zu planen. So kann man die kostbare babyfreie Zeit für die eigentlichen Versuche aufsparen.
All diese Ideen haben super funktioniert – zumindest bis unser kleiner Mann das Laufen lernte. Plötzlich wollte er die Welt selbst entdecken. Es war erstaunlich, wie schnell er uns mit seinen kurzen Beinchen davonlaufen konnte. Doch obwohl er noch nicht einmal einen einzigen Quadratmeter flachen Untergrunds zur Verfügung hatte, auf dem er spielen konnte, verhielt sich Arthur stets vorbildlich. Er lief, krabbelte, kletterte und stolperte, aber er bewegte sich nie allzu weit von uns weg, also mussten wir uns keine großen Sorgen machen. Wir schafften es, mehrere Routen bis 8b zu erklettern. Obwohl der Fels nicht der schönste war und scharfe, abgesplitterte oder mit Sika überzogene Kanten hatte, konnten wir uns nach zwei Monaten des Eingesperrtseins kaum beherrschen vor Freude.
Orgon und Mourirs dürften auch außerhalb Frankreichs „bekannt“ sein, aber die meisten Klippen in den Alpilles sind eher was für die Einheimischen. Die Landschaft ist wunderschön, doch die Klippen sind oft nicht hoch genug oder die Felsen entweder zu massiv oder zu brüchig. Obwohl wir nur 15 Autominuten von Estézargues entfernt wohnten, waren wir hier noch nie klettern gewesen. Das Gleiche trifft auf ein paar andere Klippen zu, die wir für unsere Route geplant hatten. Man kann dort durchaus gut klettern, aber weiter weg gab es ganz einfach welche, die besser waren. Wir brauchen nur eine Stunde bis nach St. Leger und drei Stunden bis zum Ceuse oder in die Verdonschlucht. In einem Auto oder einem Van hingegen ist alles ziemlich einfach – und langweilig. Man sitzt nur da, wartet und klettert anschließend ein bisschen. Bis auf die Qualität des Gesteins unterscheiden sich die Felsen eigentlich so gut wie gar nicht. Auf dem Fahrrad hingegen ist allein die Anfahrt schon ein Abenteuer. Es hat etwas Magisches an sich, wenn man glücklich dort ankommt und sich selbst über das schäbigste Stück Fels freut. Denn man ist aus eigener Kraft dorthin gekommen und hat auf dem Weg viele unerwartete und schöne Orte gesehen.
Ich möchte aber nicht behaupten, dass Radfahren immer Spaß macht. Es gab definitiv ein paar Momente, in denen wir ziemlich froh gewesen wären, uns einfach ins Auto setzen zu können. Am Ende des 3. Abschnitts, von Fontvielle nach Saint Rémy de Provence, musste James die Etappe in umgekehrter Richtung wiederholen und zurückkommen. Er hatte nämlich vergessen, die Schlüssel für die Frühstückspension zurückzugeben! 20 Kilometer in beide Richtungen – das perfekte Rezept für einen guten Schlaf. Wir konnten den nächsten Tag kaum erwarten!
Der Radalltag
Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell etwas so Neues und Unbekanntes, das nur ein paar Tage zuvor begonnen hatte, zur Normalität werden kann. Wir wachten jeden Tag auf, aßen ein ausgiebiges Frühstück mit Pain aux Chocolate, Kaffee und Croissants. Dann packten wir den Anhänger so stabil wie möglich, schnallten Arthur in seinen Sitz und fuhren los. Wir waren bereit für das nächste Abenteuer! Es klingt irgendwie komisch, das Wort „Abenteuer“ zu verwenden, um die heimischen Klettergebiete zu beschreiben. Aber so fühlte es sich eben an. Kurz vor der Entbindung hatten wir drei Wochen in Äthiopien verbracht und Sandsteintürme in der Wüste erklommen. Wir waren es gewohnt und liebten es, durch die Welt zu reisen, um unbekannte Orte zu entdecken. Wir hätten aber nie gedacht, dass wir weniger als 100 Kilometer von unserem Haus entfernt ähnliche Erfahrungen sammeln könnten.
Unser Wissen über die Region reichte gerade so aus, dass wir unsere Hauptroute planen konnten; aber wir entdeckten jeden einzelnen Weg quasi neu. Manche Strecken waren das reinste Fahrvergnügen und funktionierten perfekt mit einem E-MTB und Anhänger, während es mit anderen Wegen nicht ganz so gut klappte. Doch die Orte entlang der Wege machten alle Schwierigkeiten, die wir auf dieser Reise hatten, wieder wett. Es war nämlich Kirschsaison in Südfrankreich und das bedeutete nicht nur, dass es sich bei fast jedem Dessert um „Clafoutis aux Cerises“ handelte. Wir kamen auf unseren Rädern auch an vielen wilden Kirschbäumen vorbei, an denen wir oft anhielten, um „aufzutanken“. Und wer weiß, vielleicht hat Arthur dort sogar seine erste große Liebe gefunden!
Wir entdeckten Windmühlen aus den frühen 1800er-Jahren, ein troglodytisches Dorf, das bis Mitte 1500 bewohnt war, und viele andere kleine Überraschungen entlang des Weges. Wir kletterten an fantastischen Klippen wie Buoux, zu denen wir normalerweise nicht fahren... zu weit weg für einen Tagesausflug, aber nicht weit genug für einen Urlaub. Außerdem trafen wir unterwegs Freunde, die wir schon viel zu lange nicht mehr gesehen hatten! Das Leben verlangsamte und vereinfachte sich. Probleme beschränkten sich darauf, Reifen reparieren und uns daran erinnern zu müssen, die Batterien aufzuladen oder den Windelvorrat aufzustocken, bevor wir in ein Tal ohne Geschäfte fuhren. Gelegentlich waren wir ein bisschen gestresst oder besorgt, wenn wir unsere Fahrräder an einen Baum anketten mussten, um eine Klippe zu Fuß zu erreichen. Aber zum größten Teil war diese Art von Leben einfach toll!
Eine solche Reise bringt einem viel bei und macht es möglich, sich einfach mal treiben zu lassen. Wir hatten keine festen Zeitvorgaben und auch keine Hardcore-Kletterziele. Das machte die Sache einfacher und bereitete uns mehr Freude! Wenn uns ein Felsen besonders gut gefiel oder unsere Hintern zu sehr schmerzten, dann ruhten wir uns ein paar Tage aus. Wenn nicht, dann zogen wir weiter. Wenn man den Stress und Druck reduziert, ist man viel offener und lernt das Leben mehr zu schätzen. Leider fiel uns das nicht immer leicht, denn James ist hyperaktiv und ich bin super organisiert – aber diese Herangehensweise mussten wir eben lernen, als wir ein Baby bekamen. Vielleicht war das auch der Grund dafür, dass Arthur bei diesem Abenteuer so viel Spaß hatte. Ein Tag, an dem wir harte Routen abhakten, war genauso erfüllend wie ein Tag, an dem Arthur lernte, alleine auf einem felsigen Pfad zu laufen, oder mit seinen kleinen Autos im Dreck vor unserem Hotel spielte.
Als wir begannen, Arthur im Anhänger mitzunehmen, konnten wir uns glücklich schätzen, wenn er es länger als zwanzig Minuten aushielt, bevor er weinte und nach Hause wollte. Babyschritt für Babyschritt wurden unsere Fahrten nach und nach länger – und jetzt kann Arthur fröhlich fünf oder sechs Stunden in seinem Anhänger sitzen und die ganze Zeit lächeln! Er liebt es, die Welt an sich vorbeiziehen zu sehen, und fängt nur an zu quengeln, wenn es Zeit für das Mittagessen ist (seine innere Uhr geht auf die Minute genau!) oder wenn wir zu lange anhalten, um herauszufinden, ob wir irgendwo falsch abgebogen waren. Etappen mit 30 Kilometern mögen für diejenigen Radler, die schon länger mit dem Rad unterwegs sind, relativ unambitioniert klingen. Aber wenn man bedenkt, dass wir mindestens 20% der Zeit für falsches Abbiegen einrechnen mussten, ziemlich schwere Anhänger hinter uns herschleppten und Straßen größtenteils mieden, dann verwundert es nicht, dass wir unsere Tage oft so beendeten: Schweißgebadet, mit wundgescheuerten Hintern und absolut bereit, um 21 Uhr schlafen zu gehen… genau wie unser Baby!
Und das Klettern...
Und die Kletterei… ...denn wir sind ja schließlich professionelle Kletterer! Und falls das bis jetzt noch nicht klar geworden ist: Bei dieser Reise ging es uns nicht um Leistung. Aber da wir während des Lockdowns zwei Monate lang im Fitnessstudio trainierten, waren wir ziemlich gut in Form. Trotz der zahlreichen Kilometer im Sattel erkletterten wir ein paar ziemlich coole Routen! In Orgon fanden wir uns in „la Bergerie“ wieder und erstellten ein paar schöne Ticks... Les Mollahs du Mollard für James, eine Route, die ursprünglich mit 9a angegeben war (vielleicht jetzt nur noch eine 8c, eine komplizierte Geschichte von hinzugefügten und entfernten Griffen – sagen wir einfach, dass die Route hart war... ), eine 8b und eine 8a auf Sicht für mich... Ein schöner Tag, vor allem, weil das Gelände ein Paradies für Arthur war: Es gab eine kleine Wand, die ihn vom Davonlaufen abhielt und ihm gleichzeitig die Möglichkeit gab, seine Festung des Tages zu erkunden.
Doch wer hoch fliegt, fällt tief! Zwei Tage später musste ich in „Godasse Clean“ aufgeben – einer 8a bei Fétide Beach, die James locker mal nach der Arbeit schaffte! Oh, was für eine Schande! Hatte ich mich getäuscht und wir waren gar nicht so gut in Form, wie wir dachten? Doch es war wohl ein weiteres Beispiel dafür, dass Klettergrade ziemlich bedeutungslos sind oder oft stark von der Region, Art und den Bedingungen abhängen! Ich war mir dessen schon seit meinen Tagen als Wettkampfkletterer bewusst, in denen ich lange überhängende Widerstandsrouten problemlos klettern konnte, aber in technischen 6-Grad-Platten stürzte! Doch diese Reise war anders: Das Radfahren half uns dabei, über solche Vorfälle zu lachen, denn im Grunde war der Trip eine Art Kompromiss. Es war anstrengend, zur Klippe zu radeln, und manchmal musste man seine Erwartungen eben herunterschrauben… oder noch besser: überhaupt gar nicht auf Grade achten! Natürlich hätten wir bessere Voraussetzungen zum „Ticking“ gehabt, wenn wir in einem guten Bett geschlafen, eine 1-minütige Anreise gehabt und das Baby bei den Großeltern gelassen hätten… Aber so hätten wir nur halb so viel erlebt! Die Kirsch-Orgien, regelmäßiges Umdrehen auf urplötzlich verschwindenden Pfaden (die spaßigen von Typ 2) und ein Baby, das so langsam erkannte, in was für einer wunderbaren Welt wir lebten! Mit 35 Jahren verblasst die Bedeutung dieser kleinen Buchstaben und Zahlen... wir wollen nur noch klettern, uns anstrengen und den Ideen folgen, die uns wichtig sind!
Das Kletter-Highlight der Reise war definitiv Buoux, wo wir unsere Zeit zwischen der alten Westwand und einer neu gesicherten geheimen Höhle aufteilten. Die beiden Gebiete könnten nicht unterschiedlicher sein. Beide sind auf ihre eigene Art und Weise einfach genial! An der Westwand ging es um heikles technisches Klettern mit erstaunlichen Besonderheiten, einschließlich einiger fantastisch massiver und heikler Kalkstein-Reibungsplatten! Hier konnte man mit kräftigen Fingern und der richtigen Fußtechnik harte Routen erklettern. Die neue Höhle hingegen bot eine steile Kletterei an guten Griffen. Die Lage über dem Fluss Aigue Brun war spektakulär. Starke Finger schaden natürlich nie, aber letztendlich sind die Unterarme für das Klettern verantwortlich… oder dafür, dass man sich am Ende des Seils wiederfindet!
Erst mit Anfang 30 habe ich die Gemeinde Buoux in ihrem wahren Wert zu schätzen gelernt. Von der Talsohle aus sind die Farben prächtig und die Handbewegungen beim Klettern einzigartig. So wie die alten Straßen von Paris Respekt einflößen, ist Buoux mit seiner mehr als 50-jährigen Klettergeschichte vergleichbar mit einer sehr fitten alten Dame: Wenn man sich liebevoll um sie kümmert, wird man von ihr auf den Routen mit der Geschichte des Kletterns verwöhnt. Von Edlinger bis Le Menestrel und Moon – hinter jeder Route verbirgt sich eine Anekdote. Und auch die 7as machen es einem nicht leicht und erfordern einen regelrechten Kampf!
Ich freute mich sehr darüber, L'Homme Programe an der Westwand zu klettern. Es handelte sich um eine 8a-Platte, die mir bei meinem ersten Versuch unmöglich erschien, aber nach und nach durchschaute ich sie. James hatte eine großartige Zeit in Buoux. Er kletterte die klassische 8b Les Mains Sales bei seinem ersten Rotpunktversuch, zog an L'Homme Programe vorbei und kletterte eine wirklich schöne 8b und 8b+ in der neuen Höhle! Schließlich entwickelte Arthur eine interessante Technik für den Abstieg von der schönen Westwand auf dem neuen, in den Steilhang gehauenen Weg: Er rutschte den kompletten Pfad auf seinem Hintern nach unten. Wir mussten uns ernsthaft überlegen, wie wir seine Babyhose verstärken würden können!
Anschließend legten wir einen ungeplanten Zwischenstopp bei Freunden ein, 30 Kilometer südlich von Buoux – wir mussten auf ein neues Teil warten, um einen unserer Anhänger zu reparieren. Passend zur Hitzewelle, die zu dieser Zeit ganz Europa quälte, waren wir wieder auf der Straße unterwegs. Die Leute sonnten sich anscheinend sogar in Großbritannien! Hier in Südfrankreich beschlossen wir, wegen der hohen Temperaturen um die 35 Grad ein paar der geplanten Klippen ausfallen zu lassen, vor allem diejenigen, die in der prallen Sonne lagen. Stattdessen entschieden wir uns für eine, von der wir wussten, dass sie den ganzen Tag schattig sein würde.
Mouriès war ein weiteres Denkmal der Klettergeschichte und einer unserer Lieblingsfelsen in dieser Region. Eine Felsklinge erstreckte sich über die Felder und grenzte auf der einen Seite an einen Golfplatz, auf der anderen an Überreste eines römischen Oppidums, das seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. von Menschen bewohnt wurde. Der massive Kalkstein von Mouriès erfordert viel Konzentration und Technik. Doch anstatt anzureisen und auf immer schwierigere Routen zu hoffen, freuten wir uns jedes Mal darauf, wie „leicht“ diese Route war, von der wir abfallen konnten! Unser aktueller Rekord liegt bei 6c, aber das war im Winter... und wer wusste schon, welche Hindernisse der Sommer bringen würde? Wir trafen uns mit einem guten Freund, Raph Fourau, und dabei kamen die erstaunlichsten Bilder heraus, wie ihr hier selbst sehen könnt. Wir genossen es, uns mit den 7as herumzuschlagen. James schaffte eine 7b im Sektor Prairie „onsight“ und war mein Held des Tages. Doch dann zog er an Bolts einer 7a und somit glich sich das schnell wieder aus.
Nach zwei glorreichen, aber sehr warmen Tagen konnten unsere Füße die Platten nicht mehr ertragen, also machten wir uns auf den Weg zum letzten Felsen unserer Reise, einer kleinen geheimen Klippe in der Nähe von Fontvieille. Wir hatten lediglich eine Liste mit Routennamen sowie eine vage Wegbeschreibung und erwarteten ein nahezu episches Erlebnis. Überraschenderweise stießen wir nicht nur auf die Klippe, sondern auch auf eine Gruppe von einheimischen Kletterern, die nur zu gerne bereit waren, uns einige der besten Routen zu zeigen. James machte kurzen Prozess und wagte sich an die schwerste Route – eine kurze, mit Felsblöcken übersäte 8c an einem der wahnwitzigsten Felsen der Gegend. Wir staunten nicht schlecht, dass wir schon wieder einen neuen Heimatfelsen „entdeckt“ hatten, an dem wir noch nie zuvor gewesen waren!
Unser letzter Tag war einer der längsten der Reise: Von Tarascon aus radelten wir 45 Kilometer nach Hause. Ob James nun meinem Gejammer nachgab oder auch seine Beine so langsam müde wurden, wählte er schließlich DFCIs aus, auf denen man gut entlangrollen konnte. Obwohl sich so langsam Schmerzen in unseren Gesäßen bemerkbar machten, behielten wir ein gutes Tempo bei. Die letzten zwei Stunden auf dem Rad waren das reinste Vergnügen. Wir hatten allesamt das Gefühl, einen perfekten Monat erlebt zu haben. Es war fantastisch, emotional und eine Zeit, an die man sich gerne erinnert. Unsere Mountainbike-Klettertour versetzte uns in einen Abenteuermodus, der wie eine Offenbarung war und den wir in nicht allzu ferner Zukunft sicher noch einmal erleben würden…